Liebe Catharina, um was geht es in Deinem Buch „Save your Heart“?
„Save Your Heart“ legt den Fokus auf die weibliche Herzgesundheit. Es geht um die spezifischen Risiken, die Frauen in diesem Bereich haben, und wie sie diesen Herausforderungen begegnen können. Ich beleuchte die wichtigsten Risikofaktoren und gebe viele praktische Tipps für einen herzgesunden Lifestyle, der auf „longevity“ abzielt. Ziel ist es, Frauen zu ermutigen, ihre Herzgesundheit frühzeitig aktiv in die Hand zu nehmen, um so ein längeres, gesünderes Leben zu führen.
Richtet sich Dein Buch an alle Frauen – oder nur an Frauen, die bereits erkrankt sind?
Es richtet sich an alle Frauen, denn Herzgesundheit betrifft uns alle in jedem Lebensabschnitt. Insbesondere möchte ich die jüngeren, herzgesunden Frauen ab 40 Jahren ansprechen, denn je gesünder wir im mittleren Lebensalter leben, desto besser wird unsere Herzgesundheit im Alter sein. Das ist sowas wie eine private Altersvorsorge, ein dickes Sparbuch auf das wir – bildlich gesprochen – jeden Monat einzahlen, um im Alter luxuriös – nämlich möglichst gesund – leben zu können! Aber auch ältere Frauen und Frauen, die bereits Herzerkrankungen haben, können das Buch lesen, denn für einen herzgesunden Lifestyle ist es nie zu spät!
Was bedeutet der Begriff „Bikini Approach“ in der Medizin?
Jahrelang wurde der Fokus in der Erforschung der Frauengesundheit auf die sog. „Bikini Zone“ gelegt, sprich auf die reproduktiven Organe. Alles andere – so die vorherrschende Meinung – unterscheide sich nicht vom Körper der Männer. Dieser Ansatz hallt bis heute nach. Viele Frauen fürchten sich – zurecht – vor Brustkrebs und nehmen regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen diesbezüglich wahr. Herzerkrankungen und deren Risiken hat aber niemand so richtig auf dem Schirm, dafür gibt es noch nicht mal fest verankerte Vorsorgeuntersuchungen. Mit fatalen Folgen: Herzerkrankungen sind die Todesursache Nr.1 bei Männern aber eben auch bei Frauen.
Warum unterschätzen Frauen das eigene Risiko für Herzerkrankungen?
Vielen Frauen ist nicht bewusst, dass Faktoren wie Stress, hormonelle Veränderungen und bestimmte Lebensstil-Entscheidungen einen erheblichen Einfluss auf ihre Herzgesundheit haben können. Es herrscht der Glaube, dass Herzprobleme nur Männer betreffen. Ein Hauptproblem ist sicherlich auch, dass nicht nur Frauen selbst ihr Risiko für Herzerkrankungen falsch einschätzen, sondern leider auch viele Ärzte. Risikofaktoren und erhöhte Blutwerte werden bei Frauen häufig nicht richtig ernst genommen. Klassiker ist das hohe LDL-Cholesterin, was bei Frauen als „das passt schon so“ abgetan wird. Bis es dann zum Herzinfarkt kommt.
Kannst Du uns die drei wichtigsten frauenspezifische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nennen?
Auch wenn er nicht frauenspezifisch ist und ebenso bei Männern auftritt: Bluthochdruck ist der Risikofaktor bei Frauen, der weltweit die meisten Todesfälle – Herzinfarkte, Schlaganfälle und weitere Folgeerkrankungen – verursacht. Wir sollten ihn wirklich ernst nehmen und rechtzeitig behandeln. Frauenspezifisch und sehr wichtig ist das Polycystische Ovarsyndrom (PCOS), die häufigste Hormonstörung bei Frauen im gebärfähigen Alter – gefolgt von Schwangerschaftsdiabetes und -bluthochdruck sowie die verfrühte Menopause (vor dem 40. Lebensjahr). Hier sollte jede Frau ihren Gesundheitsstatus und ihre Risikowerte regelmäßig checken!
Inwiefern schützt das weibliche Hormon Östrogen vor Herzerkrankungen?
Östrogen ist unser „Slow aging-Hero“. Östrogen wirkt nicht nur in der „Bikini Zone“, sondern entfaltet seine Wirkung zum Beispiel auch an den Blutgefäßen. Es verursacht dort eine Gefäßerweiterung und sorgt dafür, dass schützende Botenstoffe produziert werden, die unsere Gefäße lange gesund und ablagerungsfrei halten. Fällt das Östrogen nach der Menopause ab, haben wir weniger körpereigenen Gefäßschutz und sind nicht mehr so elastisch.
Warum haben Frauen nach einem Herzinfarkt trotzdem eine höhere Sterblichkeit als gleich alte Männer?
Das ist dramatisch. Frauen haben zwar seltener einen Herzinfarkt als Männer, aber wenn sie einen bekommen, ist die Sterblichkeit fast doppelt so hoch, insbesondere bei jüngeren Frauen zwischen 45 und 55 Jahren ist das mehrfach in Studien gezeigt worden. Die Gründe sind vielschichtig: Frauen nehmen ihre Beschwerden häufig nicht richtig wahr und deuten sie falsch – da ist das komische Gefühl in der Herzgegend dann halt der Magen und bestimmt das Glas Rotwein vom Vorabend… – sie suchen seltener Hilfe auf – wollen ja niemandem zur Last fallen – und wenn sie Hilfe aufsuchen, dauert es nachgewiesen länger bis ihnen geholfen wird – „die simuliert nur und ist hysterisch“. Das heißt, die Zeitverzögerung bei der Diagnose-Stellung hat einen beträchtlichen Anteil am schlechteren Outcome. Ich schildere im Buch einige klinische Fälle aus meinem Berufsalltag, sie sind leider nicht frei erfunden, sondern bittere Realität in den Klinken, immer wieder. Allein über die Frauen, deren Beschwerden als „psycho“ abgestempelt wurden, könnte ich ein ganzes Buch füllen.
Inwiefern prägen wir die (Herz-)Gesundheit unserer ungeborenen Kinder bereits in der Schwangerschaft?
Ich sage immer: Herzgesundheit beginnt bereits im Mutterleib. Ich möchte keiner werdenden Mutter ihr Schoko-Croissant verderben, aber auch in der Schwangerschaft sind eine gesunde Ernährung und ein aktiver Lebensstil mit körperlicher Aktivität (solange von gynäkologischer Seite nichts dagegen spricht) sehr vorteilhaft und haben positive Auswirkungen nicht nur auf den Verlauf der Schwangerschaft und die Geburt, sondern auch auf die Gesundheit des Kindes im späteren Leben. Es ist nachgewiesen, dass Frauen, die in der Schwangerschaft körperlich aktiv waren und sich gesund ernährt haben, Kinder bekommen, die im späteren Leben gesünder sind als Kinder von inaktiven Frauen mit ungesundem Lifestyle. Durch epigenetische Einflüsse „primen“ wir während der Schwangerschaft bereits den Stoffwechsel der Kinder. Ein Schwangerschaftsbluthochdruck zum Beispiel erhöht das Risiko für einen Typ-2 Diabetes im späteren Leben des Kindes. Das sind epigenetische Einflüsse, die unterschätzt werden!
Welche Herz-Checks empfiehlst Du also auch schon jungen Frauen regelmäßig?
Diese Frage erhalte ich regelmäßig und deshalb habe ich diesem Thema in meinem Buch ein ganzes Kapitel gewidmet. Leider ist weder für junge, noch für ältere Frauen ein klassischer Herz-Check im Routine-Vorsorge-Programm der Krankenkassen vorgesehen. Das GHG (Gesunde-Herz-Gesetz) sollte das ändern und Herz-Checks für Menschen ab 25, 40 und 50 ermöglichen. Für dieses Gesetz haben viele meiner kardiologischen Kollegen jahrelang hart gekämpft. Durch den Bruch der Koalition ist das Gesetz aber leider nicht mehr verabschiedet worden.
Für Frauen vor der Menopause empfehle ich: kenne deine Risiken! Sprich, gibt es Herzerkrankungen in der Familie? Wie ist dein Blutdruck? Wie steht es um deine Cholesterinwerte (inklusive Lp(a)? Rauchst du? Besteht deutliches Übergewicht? Gibt es Hinweise für einen Diabetes oder Prädiabetes? Hattest du Schwangerschaftserkrankungen?
Hilfreich ist da auf jeden Fall der Check-up ab 35 beim Hausarzt/-ärztin, der von der Krankenkasse bezahlt wird und viel zu selten wahrgenommen wird! Das ist noch kein klassischer Herz-Check, aber wichtig ist es, die Werte zu kennen, die das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen. Wenn viele Risiken vorhanden sind, macht es Sinn, schon vor dem 50. Lebensjahr einen Herzultraschall und einen Ultraschall der Halsschlagader zu machen. Sind bei letzterem bereits Ablagerung in der Halsschlagader zu sehen, müssen die Risikowerte noch strenger eingestellt werden.
Frauen können ihrem Herz auch viel Gutes tun – welches Superfood in Sachen Herzgesundheit steht bei Dir an erster Stelle?
Das ist eine schwierige Frage, ich habe eine Handvoll Lieblings-Superfoods für’s Herz:
- Rote Bete (damit macht man legales Gemüsedoping, es enthält gefäßpflegendes anorganische Nitrat, was in super gefäßpflegendes Stickstoffmonoxid im Körper umgewandelt wird und die Durchblutung sehr positiv beeinflusst, nicht nur am Herzen auch anderer Muskeln im Körper)
- Beeren aller Art (Blaubeeren, Himbeeren): enthalten „beerenstarke“ sekundäre Pflanzenstoffe, die super antioxidativ wirken und den Blutdruck positiv beeinflussen, das mag das Frauenherz gerne
- Kohlsorten und Brokkoli (sehr wichtig, gerade für Frauen): enthält viele gute Powerstoffe, nicht nur fürs Herz
- Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen usw. schenken gute Energie aus pflanzlichen Proteinen, die wir alle viel mehr essen sollten (deshalb gibt es damit auch ein tolles Rezept im Buch)
- Omega-3-haltige Lebensmittel wie Walnüsse und Leinsamen, die die Vorstufe der Omega-3-Fettsäuren Alphalinolensäure enthalten, stehen ebenfalls täglich auf meinem Speiseplan. Sie senken die Blutfette und wirken sich sehr positiv auf die Herzgesundheit aus.
Was bedeutet der Begriff „Female Fitness“?
„Female Fitness“ bezieht sich auf die spezifischen Fitnessbedürfnisse und -ziele von Frauen. Im Buch betone ich die Bedeutung von Krafttraining und aber auch von hochintensivem Intervalltraining (HIIT) für Frauen, da diese Trainingsformen helfen, die Muskelmasse zu erhalten, den Stoffwechsel zu steigern, die metabolische Gesundheit zu verbessern und das Herz-Kreislauf-System gesund zu halten. Es geht darum, Frauen zu ermutigen, ein Trainingsprogramm zu finden, das nicht nur ihre Fitness verbessert, sondern auch ihre allgemeine Gesundheit unterstützt und ihnen hilft, sich in ihrem Körper wohlzufühlen. „Female Fitness“ ist also nicht nur körperliche Aktivität, sondern eine ganzheitliche Herangehensweise an die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen.
Und um was geht es bei „Smart Recovery“?
Um die Stärkung unserer körperlichen, geistigen und emotionalen Ressourcen durch Stressmanagement, Schlaf und gesunden Lifestyle. In unserer dauergestressten Multitasking-Gesellschaft ist es wichtig zu wissen, was unsere Ressourcen stärkt, was uns gut tut und uns Energie schenkt und was uns schwächt. Viele äußere Faktoren – wie die „bunte, heile“ Social Media Welt – gepaart mit krank machenden angestaubten gesellschaftlichen Erwartungen sowie Strukturfehler in unserem System machen es Frauen in vielen Bereichen besonders schwer. Unsere Ressourcen sind irgendwann erschöpft, es drohen Burnout und im schlimmsten Fall sogar Herzerkrankungen.
Du stellst im Buch die häufigsten Herzerkrankungen vor und wie man diese behandeln kann. Welche zB?
Auf alle Herzerkrankungen konnte ich aus Platzgründen leider nicht eingehen, deshalb habe ich die wichtigsten und häufigsten rausgepickt. Natürlich wird der Herzinfarkt bei Frauen ausführlich thematisiert, inklusive Fallbeispielen aus der Klinik. Aber auch andere Herzerkrankungen wie Herzrhythmusstörungen, Extraschläge und Herzrasen, die sehr viele Frauen plagen, und das Broken Heart-Syndrom werden vorgestellt.
So stellt sich fast die Frage: Ersetzt Dein Buch einen Arzttermin?
Nein, natürlich nicht. Aber es soll ein Anstupser sein, über die eigene Gesundheit und persönliche Herzrisiken nachzudenken und es dient als wertvolle Ergänzung zum Arzttermin. Mir ist wichtig, dass Frauen aufgeklärt und informiert sind, wenn sie bei ärztlichem Fachpersonal sitzen, sie sollen proaktiv nachfragen. Aus Erfahrung kann ich sagen, es gibt viele Kollegen, die das gar nicht mögen und aufgeklärte und informierte Frauen als Besserwisserinnen abstempeln. Mein Tipp: nicht unterkriegen lassen, ihr seid die Kapitänin im Boot, der Arzt / Ärztin ist der Lootse, aber ihr habt das Ruder in der Hand! Wenn Ihr Euch nicht ernst genommen fühlt, sucht Euch einen Arzt / Ärztin bei dem Ihr Euch ernst genommen fühlt.