Hallo Lunia Hara, kannst du dich bitte kurz vorstellen?

Gerne. Ich bin Lunia Hara, Führungskraft und Expertin für empathische Führung. Ich unterstütze Führungskräfte dabei, mit mehr Menschlichkeit zu führen – praxisnah, klar und wirkungsvoll. Geboren in Sambia und aufgewachsen zwischen einem sambischen Dorf und Berlin, trage ich zwei Heimaten im Herzen.

Dein Buch heißt „Empathische Führung“. Was verstehst du darunter und wie unterscheidet sich diese von anderen Führungsstilen?

Empathische Führung hat Menschlichkeit als Fundament – nicht als Floskel, sondern als Haltung. Es geht darum, die Bedürfnisse, Perspektiven und Potenziale der Mitarbeitenden ernst zu nehmen und gezielt zu fördern. Beziehungen werden bewusst gestaltet, ohne auf Zielorientierung oder Entscheidungsstärke zu verzichten. Im Unterschied zu klassischen Modellen basiert empathische Führung auf Vertrauen statt Kontrolle. Mein Ziel ist es, eine Bewegung zu erschaffen, die Empathie und Mitgefühl in Wirtschaft und Gesellschaft verankert – denn Führung endet nicht an der Bürotür, sie wirkt weit über das Unternehmen hinaus.

Was genau meinst du damit?

Führung ist nie nur intern. Viele gesellschaftliche Krisen sind das Resultat von Entscheidungen einzelner Führungskräfte. Wer Verantwortung trägt, beeinflusst nicht nur das eigene Team, sondern auch Strukturen, Menschenleben und manchmal ganze Systeme. Deshalb braucht es Führung mit Empathie, Mitgefühl und Weitblick. Der Wirkkreis von Führung ist viel größer als wir ihn bislang diskutieren.

Welche drei Top-Techniken empfiehlst du als Coach einer jungen Führungskraft, um ihre empathischen Fähigkeiten zu schulen?

Erstens: Hör auf zu raten, was dein Team braucht – frag es einfach. Die meisten Mitarbeiter:innen wissen ziemlich genau, was sie brauchen, um gut zu arbeiten, sie werden nur selten gefragt. Zweitens: Übe aktives Zuhören – auch zwischen den Zeilen. Das gelingt besser, wenn du bei dir selbst bist. Und drittens: Fördere Selbstreflexion. Hol dir bewusst Rückmeldungen von Kolleg:innen, Mitarbeitenden oder Freunden, um deine Wirkung besser zu verstehen.

Wie gehst du mit der Herausforderung um, Empathie zu zeigen, ohne dabei Autorität zu verlieren oder dich selbst zu überfordern?

Empathie bedeutet nicht, es allen recht zu machen oder sich aufzuopfern. Es heißt, Entscheidungen zu treffen mit Klarheit und Mitgefühl. Ich sehe Empathie und Autorität nicht als Widerspruch, sondern als Team. Wer empathisch führt, schafft Vertrauen und Vertrauen ist die stärkste Grundlage für Autorität. Eine empathische Führungskraft darf auch Grenzen setzen und auch mal Nein sagen. Empathisch, aber bestimmt.

Dein Vater arbeitete in Sambia als sog. „Nduna“. Was genau macht ein Nduna und inwiefern profitierst Du heute als Führungskraft von seinem Wissen?

Ein Nduna ist der Berater eines Chiefs. Mein Vater sagte immer: „Ein guter Nduna sorgt dafür, dass der Chief der beste Chief werden kann.“ Ndunas erinnern an Geschichte und Werte, geben Orientierung und sorgen dafür, dass niemand das Gesicht verliert – auch nicht der Chief. Für mich ist ein Nduna jemand, der andere stark macht, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Und genau das ist empathische Führung: andere groß machen, Orientierung geben und mit Vertrauen führen.

Friedrich Merz ist Deutschlands neuer Bundeskanzler – was könnte er von dir in Sachen Führung lernen?

Als Führungskraft muss ich verschiedene Interessen ernst nehmen – nicht nur die der Zielgruppe, die meine eigenen Ziele am besten bedient. Wer monatelang nur eine Richtung bedient, ignoriert andere entweder bewusst oder zeigt, dass er dem Amt nicht gewachsen ist.

Du schreibst, empathische Führung beginnt nicht im Team, sondern bereits in der eigenen Kindheit. Warum ist das so?

Unsere Vorstellung von Führung entsteht früh durch das, was wir in der Kindheit erlebt haben. Wer gelernt hat, dass Autorität heißt, keine Widerrede zuzulassen, wird es später schwer haben, echte Dialoge zu führen. Deshalb braucht es Selbstreflexion und den Mut, alte Muster zu hinterfragen. Nur wer sich selbst versteht, kann andere gut führen.

Du bist auch Mutter – welchen Rat hast du für Mütter in Führungspositionen?

Hab kein schlechtes Gewissen, wenn du dir einen freien Tag nimmst und ihn nicht mit den Kindern verbringst. Wie in der Führung gilt auch hier: Erst für sich selbst sorgen. Und wenn du in Teilzeit arbeitest, schau genau hin. Viele arbeiten faktisch Vollzeit wenn man Überstunden dazu zählt. Sie brauchen nicht weniger Stunden, sondern mehr Flexibilität.

Warum ist Feedback an den Mitarbeiter ein Ausdruck von Fürsorge? Und wer gibt eigentlich der Führungskraft Feedback?

Ich gebe Feedback, weil ich will, dass andere wachsen und ihre Ziele erreichen – das ist Fürsorge. Wenn jemand Feedback zurückhält, kann das auch heißen, dass ihm oder ihr die Entwicklung anderer egal ist. Wir würden uns alle viel schneller entwickeln, wenn wir uns öfter und mutiger ehrliche Rückmeldung geben würden. Und Führungskräfte? Gute Führungskräfte holen sich aktiv Feedback – von Kolleg:innen, von der eigenen Führungskraft und ganz besonders vom Team.

Was sagst Du jemandem, der „Empathisches Führen“ jetzt immer noch für einen Luxus hält?

Für ein erfolgreiches Unternehmen ist empathisches Führen eine absolute Notwendigkeit. Studien zeigen: Empathie reduziert Fluktuation, erhöht Engagement und fördert Innovation. Was wirklich teuer ist, sind unmotivierte Teams, innere Kündigung und Führung ohne Beziehungsebene. Es ist wie in jeder Beziehung: Wer zu wenig in Beziehungsarbeit investiert, gefährdet genau das, was er erhalten will.

Danke für deine Zeit, Lunia 😊