Liebe Frau Sand, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Gerne und kurz: in Bonn geboren, in Mayen die Kindheit verbracht, in Bonn das Abitur gemacht, studiert, geheiratet, zwei Töchter auf die Welt gebracht – und dazwischen gestolpert und aufgestanden, so wie es das Leben einem abtrotzt.
Irgendwann stellte sich die Frage, ob ich mit der Regierung nach Berlin umziehen sollte, denn damals arbeitete ich bei der Friedrich-Naumann-Stiftung als Medienreferentin des Vorstandsvorsitzenden Dr. Otto Graf Lambsdorff. Ich entschied mich, wie viele Bonner*innen, zum Aufbruch in die neue Hauptstadt.
Das ist mein erstes berufliches Leben gewesen, das zweite markiert der Schritt in die Freiberuflichkeit: Seit fünfzehn Jahren konzipiere ich Sachbücher und Unternehmensbücher, schreibe Biografien, ohne meinen Namen zu nennen. Irgendwann drückte der Wunsch, aus dem Dunkeln herauszutreten, mich literarisch zu zeigen. So habe ich den Lockdown dazu genutzt, den Plot zu meinem Debütroman zu entwerfen. Von da an ging alles sehr schnell. Mein Agent sagte zu – und Droemer auch. Seither schreibe ich über leise Heldinnen, über Frauen, die stark und eigensinnig sind. Ich bin, so will ich sagen, dort angekommen, wo ich sein will, in der Belletristik.
Um was geht es in Ihrem Buch „Und morgen wieder schön“?
Die Geschichte erzählt davon, dass die besonderen Ereignisse manchmal mit einem Griff nach den Sternen beginnen. Egal wie verrückt ein Traum klingt, egal wie ausweglos eine Situation scheint, niemand sollte sich von anderen abhalten lassen, niemand sich einreden lassen, es fehle an Mut, Kraft oder Schönheit.
Amanda, meine Protagonistin, will für Karl Lagerfeld die Frisuren zeichnen, eine Karriere in der Glitzerwelt von Paris scheint ihr erstrebenswert. Bald aber merkt sie, dass es keine Formel für Schönheit gibt. Weder in der Mode noch in der Kunst ist sie zu finden. Die wahre Schönheit wohnt in der Seele eines Menschen und kommt hervor, wenn Tränen trocknen, wenn aus Angst Mut wird, aus Resignation ein unbesiegbarer Wille, dem Schicksal die Stirn zu zeigen.
Im Roman schreiben Sie sehr einfühlsam und ausführlich über die traumatische Erfahrung des Haarverlusts für Frauen durch eine Chemotherapie. Welche Botschaft haben Sie dahingehend für die Leser:innen Ihres Buches?
Die Haare einer Frau waren schon immer ein Zeichen der Weiblichkeit, der Schönheit. Ganz wunderbar drückte Sandro Botticelli das in seinem Kunstwerk „Die Geburt der Venus“ aus. Goldblonde Locken bedecken den nackten Körper der Göttin, in der bildenden Kunst gilt sie bis heute als Sinnbild für Schönheit.
Die Botschaft ist klar. Haare locken, verführen, geben einem Gesicht den Rahmen. Ich will sogar weiter gehen: Eine Frisur unterstreicht den Charakter – kurz, wild, lockig, strohig, glänzend, verführerisch oder gezwirbelt zum Protest. Wie auch immer, Haare drücken Persönlichkeit aus. Wenn sie ausfallen, lässt das keinen kalt. Es schmerzt. Es macht den Kopf nackt, setzt ein Stigma. Ich habe mit Frauen gesprochen, die aufgrund der Chemotherapie bei Brustkrebs die Haare verloren haben, auch wenn jede einzelne wusste, dass die Haare wieder wachsen werden, so habe ich diese tiefe Verletzung in den Augen gesehen. Ich war dabei, als der Kopf der Frau in Amandas kleinem Friseurladen kahl rasiert wurde, habe die Tränen gesehen, das Schütteln in den Schultern und manchmal das Lächeln danach. Da wusste ich: Das ist die unkaputtbare Schönheit, dieser erste Blick nach der Rasur ist das Rendez-vous mit dem noch fremden Ich, es ist absolut pur. Schönheit, das weiß ich seither, ist mehr als Mode, mehr als Make-up und all die Versprechen von außen.
Wie definieren Sie persönlich Schönheit und wie spiegelt sich das in Ihren Charakteren wider?
Schönheit ist so facettenreich, wie es Frauen und Männer gibt. Das spiegeln tatsächlich meine Figuren, und ich hoffe, jede einzelne birgt ein Merkmal, in dem sich Leserinnen und Leser wiederfinden.
Meine Figuren sind nicht perfekt, sie haben Ecken und Kanten, sodass das Leben daran schleifen wird. Am Ende aber sind es die Entscheidungen, die sie treffen, die Wege, die sie einschlagen, die ihnen Hoffnung und Kraft geben.
Wie ich Schönheit definiere? Ein Lachen, das sich vom Mund bis zu den Augenwinkeln zieht; eine Haltung, die Eigensinn verspricht; das Bespielen der ganzen Klaviatur der Emotionen, und zwar unverstellt. Wenn die Tage schwarz-weiß sind, dann bleibt die Hoffnung auf ein Morgen, auf Besserung. Ja, Hoffen macht schön. Wie gesagt, es gibt keine Formel, oft liegt alles im Auge des Betrachters – und das ist gut so.
Welche Rolle spielt Berlin in Ihrem Roman?
Berlin war in den 1970er-Jahren eine Stadt, die aus der Tristesse, dem Schnodderigen erwachte. Plötzlich wurde sie von Stars wie David Bowie entdeckt, war Mode angesagt und das Schrille, Poppige, Künstlerische durfte mehr Raum nehmen. Mein Buch gibt diesen Sound wieder. Und: Das Vorbild für meine Protagonistin, die Friseurin Elisa Leimbach, lebte und wirkte dort. Der kleine Laden befand sich auf dem Ludwig-Kirch-Platz in Berlin-Wilmersdorf. An diesem Ort fange ich den Zeitkolorit von damals ein. War Paris für Amanda die Stadt zum Träumen, so schlägt ihr in Berlin der raue Ton entgegen.
Welche Beziehung haben Sie zur Modestadt Paris, die in Ihrem Roman mehr als Kulisse ist?
Paris ist die Stadt der Liebe und der Mode, es ist Amandas Sehnsuchtsort. Sie kommt aus einem Dorf in der Eifel, aus dem Friseurgeschäft der Mutter. Da kann man sich kaum vorstellen, ohne Haarspray und Toupierkamm zu arbeiten. Außerdem eifert sie Karl Lagerfeld nach, der als Deutscher in Paris diese unglaubliche Karriere hinlegt. Der Modekönig, überhaupt ganz Paris werde sie umarmen, denkt sie, und irrt. Eines lernt Amanda schnell: Wenn die Umstände verdammt mies sind, bleibt es unerlässlich, dranzubleiben, weiterzumachen und die Nase auch dem schmalsten Sonnenstrahl entgegenzuhalten.
Karl Lagerfeld spielt eine bedeutsame Nebenrolle in Ihrem Buch, allerdings lebte er nicht mehr, als Sie in Paris recherchierten ...
Das ist richtig. Ich habe einige Wochen im Quartier Latin gewohnt, habe mich in Saint Germaine aufgehalten. Es ging mir darum, Menschen zu finden, die ihn kannten, die Zeit mit ihm verbracht haben und mir Anekdoten erzählen konnten. Ich wollte jemanden finden, der bislang noch nicht befragt wurde. Am Ende war es der Kellner im Café de Flore, der als einziger Karl Lagerfeld bedienen durfte. Immer fragte Karl nach diesem Kellner. Im Laufe des Gespräches wurde er leger, offenherzig, wir haben getuschelt und gelacht, das war, so weiß ich heute, ein ganz besonderer Recherchemoment – und sehr wichtig für die Prosa.
Warum haben Sie den Tango als tragendes Element für Ihr Buch gewählt?
Ja, die Tänzerinnen am Ufer der Seine bieten ihre Dienste mit dem Tango an, um nicht als Vergessene in der Stadt unterzugehen. Der Tango ist das Sinnbild für Freiheit, ein Kampf gegen Unterdrückung. Vielleicht ist der Tango in seinem Ursprung gar ein Protest gegen das Schicksal. Verbunden ist er übrigens mit den Indigenen Argentiniens, die mit diesem Tanz die Melodie ihres Landes in den staubigen Boden malten. Ich finde, der Tango trägt eine ganz besondere Art von Schönheit in sich, die erst sichtbar wird, wenn die Frau ihren Rücken streckt, das Kinn hebt, sich stolz zeigt im Tanz.
Und last but not least: Wie stellen Sie sich die Leser:innen Ihres Buches vor?
Frauen und Männer mit Lust auf eine Lektüre, die vom Tanzen und Fallen, vom gemeinsamen Leiden und Lachen erzählt.