Lieber Max, in Deinem Buch „Gefährliches Ego“ schreibst Du, Dein Image sei Deine einzige Realität – so lautet die Frage: Wer ist Maximilian Pollux wirklich?

Das ist schwer zu beantworten, weil ich jedes Mal, wenn ich genauer hinsehe, Neues herausfinde. Jede Therapiestunde, jede Meditation, jeder Versuch der Selbsterfahrung bringt andere Aspekte. Vor der Arbeit an diesem Buch dachte ich, ich wüsste ziemlich genau, wo meine Stärken, Schwächen und Baustellen liegen, aber nach einem Jahr Arbeit an diesem Thema, muss ich zugeben: Ich weiß immer noch gar nichts. Also, Maximilian Pollux ist ein Suchender.

Im Buch beschreibst Du acht Fälle von hochgradig kriminellen Narzissten – was verbindet Dich mit diesen Menschen?

Zu allererst verbindet mich mit diesen Menschen, dass wir alle Gesetze gebrochen und anderen Menschen damit geschadet haben. Die Täter in diesem Buch haben ihren egoistischen Bedürfnissen nachgegeben, egal wie hoch der Preis für sie oder ihre Umgebung war. Sie kamen immer zuerst. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da handelte ich ebenfalls nach diesem Prinzip.

Wer sollte Dein Buch lesen?

Jeder, der True Crime liebt, wird auf seine Kosten kommen. Die Fälle sind eine perfekte Mischung aus „bekannt“ und „Geheimtipp“. Sie sind gründlich recherchiert und mein Kollege, Research Andy, und ich haben zu jedem Fall ein paar Infos gefunden, die man so noch nicht kannte. Darüber hinaus jeder, den das Thema Narzissmus interessiert – hier vor allem auch Fachkräfte. Psychologen, Psychiater, Gutachter, Therapeuten und Bedienstete im Justiz- oder Maßregelvollzug könnten viel für ihre Arbeit mitnehmen. Aber auch Eltern und Partner von Narzissten können sich mit Hilfe dieses Buches wichtiges Wissen aneignen. Das kann ihnen nicht nur Leid ersparen, es kann ihnen – im Fall des Falles – sogar das Leben retten. Zu guter Letzt würde ich mir wünschen, dass Menschen, die eine narzisstische Persönlichkeit haben, mein Buch lesen. Denn Narzissmus ist keine Entschuldigung. Es ist ein Arbeitsauftrag! Wir haben die Verantwortung, uns nicht dahinter zu verstecken, sondern, an uns zu arbeiten. Ich selbst bin der beste Beweis dafür, dass man große Fortschritte machen kann und das nicht nur, damit es einem selbst besser geht – was es tun wird! – sondern vor allem für die Menschen um einen herum. Dabei kann dieses Buch helfen.

Wie hast Du für Dein Buch recherchiert?

Ich habe mich für jeden Fall durch sämtliches verfügbares Source-Material gearbeitet: Bücher, Kino-, Fernseh- und Streaming-Content. Die Recherche für ein Sachbuch mit einem so kontroversen psychologischen Thema funktioniert aber nicht ohne die Hilfe von wissenschaftlichen Experten. Für den Bereich Forensik habe ich Dr. Nahlah Saimeh hinzugezogen. Ihre Kompetenz, Erfahrung und Wortgewandtheit ermöglichen dem Leser Einblicke in die Psyche narzisstischer Straftäter in einer noch nie da gewesenen Tiefe. Als Sachkundigen für die narzisstische Persönlichkeitsstörung habe ich Deutschlands führenden Narzissmus-Experten ins Boot geholt: Dr. Pablo Hagemeyer. Er ist selbst Bestsellerautor zu diesem Thema und Therapeut mit jahrelanger Erfahrung in der Behandlung von pathologischen Narzissten. Er hat auch mein eigenes Diagnose-Verfahren übernommen.

Welcher Fall aus Deinem Buch hat Dich besonders „getriggert“?

Es gibt einen Täter, den ich noch weniger leiden kann als alle anderen. Dieser Täter versucht alles, um von seiner Tat abzulenken und sich stattdessen als Opfer eines Skandals zu installieren. Dies gelingt ihm zu weiten Teilen mit Hilfe der Boulevardmedien, die das von ihm geschaffene Narrativ ungeprüft aufnehmen und in die Welt blasen. Dadurch hat es dieser Täter geschafft, die Gerichte und vor allem die Öffentlichkeit zu gaslighten. Diese Entwicklung macht mich unendlich sauer, da das Opfer, immerhin ein 12-jähriger Junge, darüber in Vergessenheit gerät. Es war sehr schwer sich so intensiv mit einem, meiner Meinung nach, zutiefst verabscheuungswürdigen Charakter auseinanderzusetzen. Zumal ich diese Art Mensch aus meiner Zeit in Haft zur Genüge kennen gelernt habe. Das sind die Schlimmsten…

Wie unterscheidet sich Deiner Meinung nach ein „krimineller Narzisst" von anderen Narzissten?

Dadurch, dass er Straftaten begeht. Kurz und knackig. Echte Narzissten hinterlassen früher oder später immer verletzte, enttäuschte, oder traumatisierte Menschen in ihrem Wirkungsbereich. Das ist schlimm, aber noch lange keine Straftat. Emotionaler Missbrauch ist nicht per se ein Tatbestand, für den man vor Gericht gestellt werden kann. Vielleicht sollte es so sein, ist es aber nicht. Die Kandidaten in diesem Buch sind ganz klar Verbrecher. Sie verstoßen gegen Gesetze und werden dafür auch angeklagt und verurteilt. So einfach ist das…

Wird man/frau eigentlich als Narzisst:in geboren?

Ja und nein. Alle Menschen besitzen als Babies und Kleinkinder einen primären Narzissmus. Sie wollen ihre Bedürfnisse befriedigt bekommen. Wenn sie Hunger haben, schreien sie. Egal, ob die Mama sich gerade eben erst hingelegt hat und dringend Schlaf braucht. In dieser Phase steht die Verwirklichung der eigenen Bedürfnisse an erster Stelle. Das löst sich dann im besten Fall durch Erziehung, Erfahrung und die Entwicklung einer Persönlichkeit auf. Im schlechtesten Fall entwickelt sich daraus aber eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und die Betroffenen leben auch als Erwachsene nach dem oben genannten Prinzip. Ihre Bedürfnisse stehen über allen anderen. Das passiert nicht einfach so – Persönlichkeitsstörungen sind immer auch eine Reaktion auf die Umwelt.

Du beschreibst Narzissten als eher unglückliche Menschen. Was kann ihnen helfen, glücklich:er zu werden?

Narzissten sind deswegen unglücklich, weil ihnen die Fähigkeit fehlt sich selbst glücklich zu machen. Sie benötigen dafür immer Impulse von außen und das ist jedes Mal wie ein Pflaster auf eine Wunde zu kleben. Wenn sie es nicht schaffen, diese Wunde zu heilen, werden sie immer neue Pflaster brauchen und falls diese Bestätigung von außen, warum auch immer ausbleibt, stürzt sie das in eine Krise. Nachhaltiger wäre also zu lernen, sich selbst zu lieben, sich selbst zu genügen, sich selbst das geben zu können, was sie im Außen suchen. Nur so können Narzissten heilen.

Du hast Deine eigene Narzissmus-Therapie nach einigen Sitzungen abgebrochen. Warum?

Ich war noch nicht so weit, mich dem zu stellen, was das Ergebnis einer solchen Therapie sein wird. Nämlich zu akzeptieren, dass ich im Außen nicht finden werde, was ich im Inneren nicht habe. Niemand wird mir die Sicherheit geben, die ich brauche, wenn ich mir da nicht selbst geben kann. Intellektuell ist mir das bereits klar, als es aber darum ging einige Verhaltensweisen abzustellen, die ich zu Erfüllung meiner Needs im Außen auslebe, da wurde es mir zu viel und ich habe abgebrochen. Die Diagnose war ja aber auch neu für mich. Vorher wusste ich nichts über Narzissmus. Es ist ein bisschen wir das Radfahren zu erlernen. Und ich bin noch nicht so weit ohne Stützräder zu fahren.

Welchen Rat hast Du für Menschen, die einen Narzissten in ihrem Umfeld haben?

Kauft mein Buch! Ganz im Ernst – und überprüft die Eigenschaften, die ihr mit in die Beziehung bringt. Egal ob familiär, freundschaftlich oder amourös. Es gibt Persönlichkeitsmerkmale, die in Kombination mit narzisstischen Persönlichkeiten sicher zu toxischen Beziehungen führen. Solltet ihr diese Eigenschaften besitzen, müsst ihr besonders vorsichtig in der Nähe von Narzissten sein. Das zu wissen und sich damit ausrechnen zu können, wie eine Beziehung verlaufen wird, ist unverzichtbar, um sich selbst gegebenenfalls schützen zu können. Das ist kein Hexenwerk. Es ist Mathe. 2 + 2 = 4. Da brauch man nicht auf Überraschungen hoffen. Manchmal bleibt kein anderer Weg, als zu gehen.

Was hat Social Media damit zu tun, dass Du heute nicht mehr kriminell bist?

Für mich ist Social Media die Befriedigung einiger meiner narzisstischen Bedürfnisse. Ich bekomme Feedback, kann selbst steuern wie oft und wie viel. Ich kann mich und meine Ideen präsentieren und die Bestätigung ist sogar messbar. Wenn man also – richtigerweise – annimmt, dass einer meiner Beweggründe, kriminell zu werden, darin lag, Aufmerksamkeit zu bekommen, dann erfüllt mir das heute Social Media. Außerdem verdiene ich damit mein Geld und auch finanzielle Aspekte steckten klar hinter meiner kriminellen Karriere. Zu guter Letzt besitze ich eine Verantwortung meiner Community gegenüber. Gerade in den Anfangsjahren hat mir das geholfen, mich korrekt zu verhalten. Ich wollte niemanden enttäuschen und so lange man noch nicht gefestigt ist, kann einen das daran hindern Mist zu machen.

Danke für Deine Zeit, lieber Max.