Lieber Herr Dr. Friedl, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.
Ich bin Herzchirurg, Intensivmediziner, Notarzt, Taucherarzt, Autor und seit einigen Jahren Flottenarzt von TUI Cruises – worüber ich auch in meinem neuen Buch„Ein Arzt für jede Welle“ schreibe. Wenn ich nicht gerade auf dem Wasser unterwegs bin, widme ich mich in meiner Praxis für Herzzeit der Behandlung von Herz und Seele meiner Patienten. Denn es ist wissenschaftlich bewiesen ist: Das Herz ist weit mehr als nur eine Pumpe – es ist ein Sinnesorgan, das unsere Gefühle und unser Inneres widerspiegelt.
In Ihrem Buch berichten Sie über Ihre Erlebnisse als Schiffsarzt auf Kreuzfahrt. Wie kamen Sie zu diesem Beruf?
Nach unzähligen Herzoperationen, die ich im Laufe meiner Karriere durchgeführt hatte, fühlte ich in meinem Herzen eine Frage. Eine Frage die mein Leben verändert hat. Sie lautet: Was würdest Du tun, wenn Du der Stimme Deines Herzens folgen würdest? Die Antwort war ganz klar und einfach: Ich wollte gerne Seemann werden. Einige Monate später wagte ich den mutigen Schritt und heuerte ich als Schiffsarzt an. Sie können sich vorstellen, das war kein ganz einfacher Schritt, aber die beste Entscheidung meines Lebens.
Was macht für Sie den Reiz Ihres Berufs aus?
Ich lebe auf dem Meer und behandle im Bordhospital Gäste und Besatzung, die aus über 40 Nationen kommen. Menschen mit unterschiedlichen Hautfarben, aus diversen ethnischen Kulturen und auch jeglichen Alters ab sechs Monaten. Es gibt Sprechzimmer, einen OP, eine Intensivstation, Röntgen, Ultraschall, ein Labor und eine Apotheke. Es ist spannend und erfüllend, auf hoher See medizinische Versorgung auf höchstem Niveau zu leisten und dabei die Welt kennenzulernen.
Welcher war denn der ungewöhnlichste medizinische Fall, den Sie an Bord behandelt haben?
Ungewöhnliche medizinische Fälle gehören bei uns fast schon zum Alltag. Schwerwiegende Situationen wie Hirnblutungen oder Lungenembolien stabilisieren wir an Bord und evakuieren sie dann nach Möglichkeit schnell mit einem Helikopter. Außerhalb deren Reichweite, zum Beispiel auf einer Atlantiküberquerung, müssen Patienten manchmal tagelang auf Intensivstation behandelt werden. Aber nicht nur das, an Bord behandeln wir eine Vielzahl von Verletzungen wie Knochenbrüche und Verbrennungen und auch für unsere Breiten skurrile Fälle wie ein Affenbiss kommen vor.
Gibt es für Sie als Schiffsarzt auch erfreuliche Momente?
Absolut! Ein unvergesslicher Moment war, als wir bei einem Paar, dem ursprünglich gesagt wurde, dass sie keine Kinder bekommen können, eine Schwangerschaft diagnostizieren konnten. Das war für uns alle eine riesige Freude und ein Beweis dafür, dass das Leben voller Wunder ist.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag an Bord aus aus?
Morgens und Nachmittags stehen jeweils drei Stunden Sprechstunde auf dem Programm, wobei die erste Stunde immer für die Besatzung reserviert ist. Dazwischen treffe ich mich regelmäßig mit dem Kapitän und anderen Führungsoffizieren, um die medizinische Lage auf dem Schiff zu besprechen und alles reibungslos zu koordinieren. Natürlich können Notfälle jederzeit eintreten – 24 Stunden am Tag – und erfordern schnelle Reaktionen
Als Flottenarzt, also Fleet Senior Doctor, trage ich zudem die Verantwortung für die medizinische Versorgung auf insgesamt acht Kreuzfahrtschiffen. Das macht meinen Beruf spannend, vielseitig und herausfordernd, da ich ständig zwischen den verschiedenen Schiffen und Situationen jonglieren muss. Es ist eine Aufgabe, die viel Flexibilität, Fachwissen und Teamarbeit erfordert.
Wie viele Mitarbeiter hat eigentlich so ein Bordhospital?
In einem Bordhospital arbeiten in der Regel zwei Ärztinnen oder Ärzte sowie drei Krankenpflegerinnen oder Krankenpfleger. Bei den neueren Schiffen, wie dem Mein Schiff Relax und der im Bau befindlichen Mein Schiff Flow, ist das Team sogar noch etwas größer – dort gibt es jeweils eine zusätzliche medizinische Fachkraft. Diese Teamzusammensetzung sorgt dafür, dass wir schnell und zuverlässig auf medizinische Anliegen an Bord reagieren können, egal ob kleinere Beschwerden oder Notfälle.
Und wie viele Patienten behandeln Sie am Tag?
30-50 Patienten sind normal, es können aber auch mehr werden.
Welche Erkrankung behandeln Sie auf See am häufigsten?
Auf See begegnen wir vor allem den üblichen Beschwerden des Alltags – Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Hautausschläge, Bauchschmerzen oder Rückenleiden. Tatsächlich kommen Menschen mit den unterschiedlichsten Erkrankungen in unser Bordhospital – manchmal auch mit seltenen Krankheitsbildern, deren Diagnose und Behandlung fast schon detektivisches Gespür erfordern.
Im Buch geben Sie sog. „Ahoi-Tipps“, damit Passagiere eine Schiffsreise noch mehr genießen können. Wie lauten Ihre Tipps gegen See-Krankheit?
Meine Tipps gegen Seekrankheit sind ganz einfach: Viel Schlafen, viel Vitamin C und kein Alkohol. Ein Kapitän, den ich einmal getroffen habe, empfiehlt immer einen Waldspaziergang – das finde ich wirklich lustig, weil man ja eigentlich auf See ist! Aber er hat im Prinzip recht, sich an der frischen Luft zu bewegen und den Blick zum Horizont zu richten ist das Beste, was man tun kann. Und wer weiß, vielleicht hilft ja auch ein bisschen Humor, um die See weniger wild erscheinen zu lassen!
Und last but not least: Haben Sie einen Lieblingshafen?
Schöne Frage! Ich liebe wirklich jeden Hafen, den wir anlaufen, jeder hat seinen eigenen Charme und seine ganz besondere Atmosphäre. Für mich ist jeder Hafen wie ein kleines Abenteuer, bei dem ich neue Eindrücke und Geschichten sammeln kann. Aber am Allerschönsten ist es, wenn wir jeweils ablegen und ich wieder Wind in den Ohren habe.